Unser „Live“-Hörspiel – Hinter den Kulissen

2020 – kein „normales“ Jahr – kein „normales“ Theaterprojekt. Viel Neues haben wir gelernt. Viele neue Begriffe, Dinge die wir gar nicht wissen wollten UND neue Fähigkeiten! Auch Menschen, die zuvor von Digitalisierung weitgehend verschont waren, mussten sich ihnen stellen: den Videocall-Konferenzen, Online-Workshops, Streaming-Veranstaltungen und was sollen wir sagen: das Internet existiert noch und wir sind um einige Erfahrungen reicher geworden.

Unsere erste Erfahrung: das sieht alles nur so einfach aus

Wir machen ein Live-Hörspiel dieses Jahr. Perfekt! Keine Interaktion auf der Bühne. Sicherheit geht vor. Nach dem Frühjahrs-Lock-Down Proben im Außenbereich. Probenfahrt wegen Beherberungsverbot abgesagt. Dafür Hauptproben mit im belüfteten Werk-Saal geräumig verteilten Mikros. Ohne Kostüm: dafür mit (Alltags-)Maske.

Lauscher*innen vor Ort sind leider nicht gestattet. Aber wir werden einfach Live streamen. Vom heimischen Schreibtisch. Kein Problem. Entsprechende Mikros angeschafft, verteilt – ab nach Hause.

Ab November hieß es: Endprobenphase Daheim. Mal was anderes. Na dann, wie immer Sonntagnachmittag. Nur halt am Schreibtisch. Spart auch noch Fahrzeit. Wie gut. – Nein, doch nicht. Denn an Sonntagnachmittagen sitzt die westliche Welt zu Hause und schaut Netflix oder zockt und die Internetverbindung ist miserabel. Fürs Proben reicht es gerade noch so aber einen Live-Stream am Sonntag? Unmöglich.

Und dann wäre da noch die Rechenleistung. 12 Kanäle gleichzeitig aufzeichnen und streamen? Da kapituliert jeder heimische Computer. Gut, dass uns das drei Wochen vor der Premiere aufgefallen ist. Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob Mensch am Ende der Hauptprobenphase feststellen muss, dass es gar keine Bühne, kein Licht und keine Tontechnik gibt. Aber Bangemachen gilt nicht. Denn:

Unsere zweite Erfahrung: Erfindungsreichtum und Kompromisse machen es möglich

Erster Wermutstropfen: Ein X-Mas-Carol braucht Musik. Aber Live vom Schreibtisch aus gemeinsam singen geht nicht. Wegen der Latenz. Alle Stimmen wären zeitlich verschoben. Dann im Studio.

Zweiter Wermutstropfen: die Hygienerichtlinien machen Gesangsaufnahmen mit allen Darsteller*innen unmöglich. Da zwischen jeder Aufnahme das Studio gelüftet werden muss. Letztlich mehr Lüftungs- als Aufnahmezeit. Der Kompromiss: Fünf! Fünf sind machbar. Fünf singen alles. Fünf von zwölf. Schade. Aber: Mitte November sind die Gesangsspuren fertig.

Dritter Wermutstropfen (langsam wird das Zeug bekömmlich): ein echter Live-Stream ist zu riskant. Vor allem am Sonntag. Was tun?

Wir nehmen Live auf! Aber vorab. Wie ein Live-Konzert (ohne Publikum) auf CD. Wir treffen uns am Donnerstag-Abend zum Videocall – erschöpft von Schul-, Arbeits-, Uni-Woche aber optimistisch. Kleines Warm Up. Dann geht es los:

Unsere dritte Erfahrung: trotz aller Unwegbarkeiten macht es noch Spaß

Wir hören uns via Videocall und jede*r nimmt die eigene Spur über eine Programm auf, dass eigentlich für Podcasts entwickelt wurde. Die Videocall-Plattform entfernt automatisch Hintergrund-Geräusche aber unsere Stimmen sind hörbar. Nun spielen wir das Stück. Wir spielen Charles Dickens Weihnachtsgeschichte! Zu Hause am Schreibtisch. Ohne Publikum, ohne Kostüm, ohne Licht, ohne Bühne aber mit Spaß!
Unsere Spielpartner*innen im Ohr, die Ketten, Rasseln, Gläser, Trommeln, Spardosen, Butterbrotpapiere, Bratpfannen … und was wir nicht alles zum Knarren, Klingeln und Fliegen gebracht haben in greifbarer Nähe.

Nach der Aufnahme: kurzes Luftanhalten. Alle schicken ihre einzelnen Stimmen an den zentralen Rechner, wo sie übereinandergelegt werden. Es hat geklappt! Das Hörspiel ist da. Noch roh, ganz verrauscht und ohne Lieder. Aber es ist da. – Vom Rauschen befreit, mit Musik unterlegt und poliert schicken wir es an den Adventssonntag zu euch und Ihnen nach Hause.
Viel Spaß!

Weihnachtspodcast Teil 1 (erster Advent: 29.11.2020)
Vorspiel – Der Unverbesserliche und Erste Strophe – Marleys Geist

Weihnachtspodcast Teil 2 (zweiter Advent: 06.12.2020)
Zweite Strophe – Der Geist der Vergangenen Weihnachten
Dritte Strophe – Der Geist der Gegenwärtigen Weihnacht

Weihnachtspodcast Teil 3 (dritter Advent: 13.12.2020)
Vierte Strophe – Der Geist der Zukünftigen Weihnachten
Abgesang – Der Unvergessliche